Intervator
Pleasurable Troublemaker by Johannes Jessen | 2014 | 9 CP
Supervised by Matthias Laschke
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German/english
Die Arbeit „Intervator“ von Johannes Jessen beschäftigt sich mit der alltäglichen, körperlichen Aktivität. Sich im Alltag nicht ausreichen zu bewegen ist ein verbreitetes Problem. Der Spiegel titelt, das „Sitzen sei das neue Rauchen“ und Richard Buckminster Fuller und Niko Paech beklagen die „Energiesklaven“ (z.B. Rolltreppen und Fahrstühle) und die damit verbundenen Nebenwirkungen für Natur und Gesellschaft. Neben den moralischen und gesellschaftlichen negativen Folgen einer zunehmenden Bequemlichkeit, profitiert langfristig nicht einmal das Individuum von seiner „Trägheit“. Jedoch lassen sich Alltag und körperliche Aktivität durchaus miteinander verbinden. Und genau dies empfiehlt auch die Weltgesundheitsorganisation. Anstelle Sport und Fitness zu separieren, sollen beispielsweise der aktive Weg zur Arbeit, das Treppensteigen und der Spaziergang in der Mittagspause Teil des Alltags werden.
Johannes Jessen hat diesen Vorschlag in seiner Arbeit genauer betrachtet. Er schlägt vor, dass Menschen anstelle des Aufzugs die Treppe benutzen. In seiner Arbeit beobachtete er die Nutzung der Fahrstühle in der Universität. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Fahrstuhl vornehmlich erst ab einem Weg in den zweiten und höhere Stockwerke genutzt wird. Daraus leitet er die sicherlich kühne Regel ab, dass ein einzelnes Stockwerk über die Treppe durchaus für jeden zu bewältigen ist. Hinzu kam die grundsätzlich zielführende Regel (die psychologisch als Implementation Intention bezeichnet wird), dass jemand, der aktiver und sportlicher werden möchte, besser die Treppe anstelle des Fahrstuhls nehmen sollte.
Diese Regel und seine Beobachtungen materialisierte Johannes in einem Bedienelement, das wie ein Parasit vor das eigentliche Bedienfeld eines Fahrstuhls geklebt wird. Es funktioniert sehr einfach. Drückt man auf den Knopf des Stockwerks, das man anfahren möchte, drückt das neue Bedienelement immer den Knopf des Stockwerks, das ein Stockwerk tiefer liegt. Zeitgleicht ertönt eine freundliche Stimme und weißt darauf hin, dass der Fahrstuhl ein Stockwerk tiefer hält als gewollt und das fehlende Stockwerk über die Treppe zu erreichen ist, wenn man etwas für sich und seine Fitness tun möchte. Zusätzlich werden gute Gründe genannt, warum man dem Vorschlag folgen könnte. Mr. Herzkreislauferkrankung oder das Außer-Atem-Monster sollen die Situation mit einem Schmunzeln versehen. Am Ende des Tages ist es die Wahl des Nutzers. Zu jedem Zeitpunkt entscheidet er, ob er den Vorschlag annimmt oder nicht. Johannes hat sein Bedienelement nämlich so gestaltet, dass der Mechanismus für den Nutzer transparent und damit einfach zu umgehen ist. So kann jeder Nutzer auch den Knopf über dem eigentlich geplanten Stockwerk drücken, um an sein eigentliches Ziel zu gelangen. So hat man zwar nichts für seine Fitness getan, hat aber mindestens einmal über den Vorschlag und die Alternative nachgedacht.
Johannes Jessen konnte den funktionalen Prototypen zwei Tage in einem Aufzug der Universität testen. Aufgrund technischer Probleme konnte er sein Experiment zwar nicht vollständig durchführen, aber erste Tendenzen wurden dennoch deutlich. Der Intervator und seine Intention werden von Nutzern erkannt und vereinzelnd durchaus angenommen. Insbesondere in Gruppen wird der Vorschlag, die Treppe zu nutzen, überwiegend angenommen. Sind Personen allein im Fahrstuhl, wird das System jedoch eher ausgetrickst. Johannes Jessen zeigt, wie zeitgemäßes Experience- und Interaktionsdesign Anwendung in einer doch alltäglichen Situation findet. Die Arbeit wurde mit dem Folkwang Preis ausgezeichnet.